ILEWS: Integrative Frühwarnsysteme für gravitative Massenbewegungen

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ILEWS

ILEWS: Integrative Frühwarnsysteme für gravitative Massenbewegungen

01.05.2007 bis 30.04.2010

Julia Mayer

Universität Bonn, Geographisches Institut
Meckenheimer Allee 166
53115 Bonn

Sonderprogramm GEOTECHNOLOGIEN

Frühwarnsysteme im Erdmanagement

Ziel des Vorhabens ist die Erarbeitung eines Konzepts für ein integratives Frühwarnsystem und dessen Umsetzung in Gebieten mit bekannten (reaktivierten) und potenziell zu erwartenden Rutschungen und Muren (kanalisierte Rutschungen). Das System soll unter Berücksichtigung sich verändernder lokaler und regionaler Bedingungen Informationen bereit stellen, um auf zukünftige Ereignisse vorbereitet zu sein. Das Verbundvorhaben sieht die Entwicklung eines Demonstrationsmusters vor. Der methodische Aufbau des Frühwarnsystems ist transferierbar und modular ausgearbeitet. Das Entwicklungskonzept des Demonstrationsmusters eines Frühwarnsystems für Hangrutschungen und Muren berücksichtigt, dass das System an lokale Strukturen anderer Regionen und an andere natürliche Prozesse der gravitativen Massenbewegungen angepasst werden kann. Durch die Entwicklung und den demonstrativen Einsatz eines solchen spezifischen Frühwarnsystems besteht die Möglichkeit, den Schutz von Leben in derart gefährdeten Gebieten deutlich zu erhöhen.

Das Vorhaben der Universität Bonn beschäftigt sich mit der Klärung des generellen lokalen bzw. regionalen Bedarfs und ist für die Implementierung des Frühwarnsystems zusammen mit den betroffenen Akteuren und den anderen Teilprojekten zuständig. Weiterhin sollen technologische Grundlagen einer frühwarnspezifischen Geodateninfrastruktur erarbeitet werden, um die informations- und kommunikationstechnischen Bedürfnisse der anderen Teilprojekte des Verbundes zu unterstützen. Anhand eines speziell angelegten geodätischen Punktnetzes, das sich sowohl über stabile als auch kritische Hangbereiche erstreckt, sollen solche Hangbereiche identifiziert werden, deren Bewegungsraten sich auch aufgrund bestimmter anderer Effekte (z. B. Zunahme von Feuchtigkeit, Änderung des Porenwasserdruckes usw.) signifikant von benachbarten Bereichen unterscheiden. Anhand der experimentell gewonnenen Informationen wird das Bewegungsverhalten modelliert. Im Rahmen eines Unterauftrages wird die Universität Wien sowohl flachgründige Translationsrutschungen, tiefgründige Rotationsrutschungen als auch Muren untersuchen. Dabei stehen die folgenden zwei Hauptziele im Vordergrund: Das Monitoring der Untergrundbewegungen durch Inklinometer und Kettenneigungsmessgerät sowie die Erfassung relevanter Frühwarnparameter von Rutschungen. Alle erhobenen Daten werden integriert und hinsichtlich einer nutzeroptimierten, verlässlichen Frühwarnung analysiert, parametrisiert und modelliert.

Die geoFact GmbH Bonn wird im Rahmen des Verbundes ein robustes Monitoringsystem der Bodenfeuchte sowie der Fließpotenziale in potentiellen Rutschkörpern auf Basis von geophysikalischen Messarrays entwickeln. Es ist vorgesehen, effektive 2D/3D-geoelektrische Messsysteme (Gleichstromgeoelektrik, Eigenpotential etc.) im Untersuchungsgebiet Lichtenstein-Unterhausen (Schwäbische Alb) auf einem bekannten Rutschkörper nach einer gründlichen geophysikalischen Prospektion fest zu installieren. Das System wird periodisch (mehrmals täglich) geoelektrische Widerstandssondierungen automatisch durchführen. Dazu werden im Messarray in verschiedenen Tiefen Sensoren des Verbundpartners IMKO GmbH zur Bodenfeuchtemessung eingebracht. Die Datenerfassung soll automatisiert erfolgen, dabei werden die Messdaten online an einen zentralen Auswerterechner übertragen. Die Kalibrierung der geoelektrischen Messergebnisse wird über punktweise Bodenfeuchtemessungen erfolgen. Die Ergebnisse werden in einer zentralen Datenbank zur weiteren Auswertung/Bewertung zur Verfügung gestellt und bilden einen Entscheidungsparameter im integrativen Frühwarnsystem des Verbundprojektes.

Das Vorhaben der geomer GmbH Heidelberg sieht die Erstellung eines strukturierten Informationsmanagements für alle relevanten Informationen vor. Sowohl die zeitliche und räumliche Unschärfe als auch die unterschiedliche Qualität, Menge und Verfügbarkeit der zu erwartenden Daten erfordern komplexe Datenbankschemata. Es soll ein System entwickelt werden, das in der Lage ist, die Frühwarnkette komplett abzubilden, den Entscheidungsbefugten und Einsatzkräften qualifizierte Entscheidungshilfen bereitzustellen und der betroffenen Bevölkerung ein realistisches und nachvollziehbares Bild der Gefahren und Risiken zu vermitteln. Darüber hinaus soll das Informationsmanagementsystem die für Massenbewegungen spezifischen Auslösemechanismen in ihrer räumlichen und zeitlichen Qualität abbilden und in der Lage sein, die zu erwartenden Gefahren für die Bevölkerung und Infrastruktur abzuschätzen.

Das wesentlichste Ziel des Vorhabens der IMKO GmbH Ettlingen ist die hardwareseitige Integration der heterogenen Feldsensorik zu einem vereinheitlichten, robusten und einfach zu handhabenden Messsystem als eigenständige Komponente eines umfassenden Frühwarnsystems für gravitative Massenbewegungen. Die Innovation des geplanten Monitoring-Systems liegt in der speziell auf die Fragestellung der Hangrutschung angepassten Kombination ausgewählter Messverfahren und der integrierten Datenerfassung. Das System umfasst Sensoren zur Bestimmung der Belastung (meteorologische Daten), des inneren Zustands (Wassergehalt, Saugspannung, Porenwasserdruck) und der Systemantwort (Aufnahme der Kinematik durch GPS, Tiltmeter, Inklinometer und Extensiometer) eines Rutschkörpers. Dabei kommen sowohl altbewährte Sensortypen als auch neuartige Messverfahren zum Einsatz. Ein zukunftsweisender Teilaspekt der Systemintegration ist die erstmalige Verknüpfung der von der IMKO GmbH produzierten robusten und langjährig bewährten Sensoren zur Erfassung von Umweltvariablen mit neuartigen, selbstorganisierenden, drahtlosen Netzwerken. Robustheit, Ausfallsicherheit und Energieversorgung des geplanten Sensornetzwerks liegen im Fokus der gemeinsamen Untersuchungen, denn sie sind die entscheidenden Kriterien für die zukünftigen Einsatzmöglichkeiten von drahtlosen Sensornetzwerken im Bereich des Umweltmonitoring.

Die terrestris GbR Bonn ist dafür zuständig, die mittels eines drahtlosen Sensornetzwerkes erhobenen Messwerte zu übertragen, zu speichern und zu visualisieren, um eine zeitnahe Verfügbarkeit sicher zu stellen. Die Visualisierung der Daten soll über ein webbasiertes Geoinformationssystem (WebGIS) erfolgen. Mit dem Aufbau des WebGIS wird gewährleistet, dass von Anfang an eine Evaluierung und Qualitätssicherung der ankommenden Daten stattfindet. Des Weiteren erfolgt neben der fortlaufenden Datenkontrolle mit Hilfe des WebGIS eine stete Funktionsüberwachung der Hardware. Störungen, z. B. Sensorausfall, mangelhafte Stromversorgung oder ähnliches, werden sofort im WebGIS angezeigt. Damit wird ein Beitrag zur Erhöhung der Systemstabilität und -robustheit geleistet. Die terrestris GbR wird über die im WebGIS angezeigten Informationen an entsprechenden Systemmodifikationen und an der sukzessiven Optimierung der Sensorik beteiligt sein.

Das Ziel des Vorhabens der Universität Bamberg ist es, Methoden für ein Monitoring von Frequenz und Magnitude gravitativer Massenbewegungen in historischer Zeit zu entwickeln. Dies soll aufbauend auf Forschungen an der Schwäbischen Alb vergleichend mit Südtirol in zwei rutschgefährdeten Regionen durchgeführt werden. Da die Wirksamkeit eines Frühwarnsystems erheblich von der Qualität der Daten besonders über Frequenz und Magnitude von Ereignissen abhängt, ist es für die Implementierung eines Frühwarnsystems erforderlich, alle vorliegenden Datenpools zu nutzen, auch die in den Archiven gespeicherten historischen Informationen. Durch die Erstellung räumlich und zeitlich möglichst hoch aufgelöster Reihen der Ereignisse, sind Aussagen über Risikozonen und zu erwartende Verteilungen zukünftiger Ereignisse möglich. Über die naturwissenschaftliche Risikoanalyse hinaus ist ein Frühwarnsystem aber nur dann wirksam, wenn es auf ein möglichst hohes Risikobewusstsein in der Bevölkerung aufbauen kann. Dieses Wissen wiederum kann sich notwendigerweise nur auf vergangene Ereignisse stützen. Deshalb erscheint historisches Wissen für die erfolgreiche Implementierung eines Frühwarnsystems grundlegend. Mit Hilfe der historischen Analyse von Ergebnissen und Erfahrungen können Aussagen gewonnenen werden, die zur Erarbeitung eines möglichst effektiv arbeitenden Systems der Frühwarnung beitragen werden.