
Projekt MULTI-MAREX: Expertenteam untersucht Erdbeben nahe Santorini
Die griechische Mittelmeerinsel Santorini wurde in den vergangenen Monaten von unzähligen Erdstößen erschüttert. Die intensive seismische Aktivität führte dazu, dass Einheimische und Touristen die Insel aus Angst vor einem möglichen Vulkanausbruch verließen. Expertinnen und Experten des Projekts MULTI-MAREX waren mit einem Krisenreaktionsteam vor Ort. Das Forschungsvorhaben ist Teil der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsmission mareXtreme der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ist die Ursache der vielen Erdbeben nahe der Vulkaninsel Santorini?
Zwischen Santorini, dem Unterwasser-Vulkan Kolumbo und der Insel Amorgos traten zuletzt eine Vielzahl von Erdbeben in Tiefen von vier bis zehn Kilometern auf. Solche „Erdbebenschwärme“ sind unter aktiven Vulkansystemen nicht selten. Eine mögliche Ursache sind vulkanische Aktivitäten, bei denen flüssiges Gestein oder andere Fluide in der Erdkruste nach oben steigen. Eine andere Möglichkeit sind Bewegungen von Erdplatten, die zu Spannungen im Gestein und plötzlichem Entladen dieser Spannungen und damit zu Erdbeben führen können. Auch eine Kombination beider Phänomene ist denkbar.
Kann man diese Erdbeben vorhersagen?
Wann so ein Erdbebenschwarm entsteht, kann nicht vorhergesagt werden. Es gibt aber Vorläuferphänomene. Die Forschenden untersuchen die zeitliche Entwicklung und begleitende Veränderungen des Erdbebenschwarms wie beispielsweise Hebungen oder Senkungen.
Kann man einen Vulkanausbruch vorhersagen?
Auch ein Vulkanausbruch lässt sich nicht vorhersagen. Allerdings gibt es, anders als bei Erdbeben, bei Vulkanausbrüchen häufig deutliche Vorläuferphänomene. Dazu zählen Bodenhebungen und Schwarmbeben, die sich vor einem Ausbruch verstärken und Richtung Erdoberfläche bzw. Meeresboden wandern.
Was könnte bei einem Ausbruch oder einem großen Beben passieren?
Im Juli 1956 ereigneten sich zwei Beben mit Magnituden von über 7 in der nun seismisch aktiven Region. Eines davon trat in der oberen Erdkruste auf und verursachte einen lokalen Tsunami mit Wellenhöhen von bis zu 22 Metern auf der Insel Amorgos. Die Beben richteten in der Region große Schäden an und forderte 50 Menschenleben. In der jetzigen Erdbebenserie werden deutlich schwächere Beben registriert. Sollte es heute zu einem vergleichbaren Erdbeben wie 1956 oder einem Vulkanausbruch (der letzte größere Ausbruch des Kolumbo-Vulkans ereignete sich 1650) kommen, wären aufgrund der dichteren Besiedlung dramatischere Auswirkungen zu erwarten. Starke Erschütterungen könnten Gebäude beschädigen oder einstürzen lassen, insbesondere ältere Bauten. Tsunamis könnten Küstenregionen treffen und zu Überflutungen führen – nicht nur auf Santorini, sondern auch auf Nachbarinseln.
Steht ein Vulkanausbruch auf Santorini bevor?
Der Bereich unmittelbar unterhalb des Santorini-Vulkans ist aktuell seismisch ruhig. Dort kam es zuletzt 2011 zu einer ähnlichen seismischen Aktivität wie nun weiter nordöstlich mit sehr flachen Beben in ein bis zwei Kilometern Tiefe. Es folgte allerdings kein Ausbruch.
Wie groß ist das Risiko eines Tsunamis im Mittelmeer?
Im Mittelmeer treten vergleichbar viele Tsunamis auf wie in anderen Regionen der Welt. Rund 80 Prozent der Tsunamis entstehen durch starke Erdbeben, die den Meeresboden heben oder senken. Auch ein Vulkanausbruch in der Region, etwa des Santorin-Vulkans, könnte einen Tsunami auslösen – sei es durch unterseeische Explosionen oder Hangrutschungen unter Wasser. Die griechischen Behörden sowie internationale Forschende beobachten die Lage sehr genau. Die Wahrscheinlichkeit eines schweren Bebens oder Tsunamis ist aber nach wie vor gering.
Wie überwacht man solche gefährdeten Regionen?
Dank moderner Überwachungssysteme lassen sich seismische Aktivitäten und vulkanische Prozesse heute gut beobachten. Der griechische Erdbebendienst betreibt in der Region ein dichtes Messnetz, dass auch kleine Erdbeben erfasst. Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung und weitere Partner haben im Rahmen des MULTI-MAREX-Projekts einen Krisenreaktionseinsatz, eine so genannte Rapid Response Mission, gestartet. Gemeinsam mit griechischen Partnern (Laboratory of Physical Geography, University of Athens) sind Projektbeteiligte von MULTI-MAREX vor Ort, um zusätzliche Messinstrumente am Meeresboden und in der Caldera von Santorini zu installieren und die seismische Aktivität zu überwachen.
Aktuelle Studien zum Thema:
Crutchley G.J., Karstens, J., Preine, J., Hübscher, C., Kühn, M., & Fossen, H.l. (2023). Extensional faulting around Kolumbo Volcano, Aegean Sea - relationships between local stress fields, fault relay ramps and volcanism. Tectonics, 42, e2023TC007951.
https://doi.org/10.1029/2023TC007951
Karstens, J., Crutchley, G. J, Hansteen, T. Preine, J., Carey, S., Elger, J., Kühn, M., Nomikou, P., Schmid, F., Kelfoun K., Dalla Valle, G. & Berndt, C. (2023). Cascading events during the 1650 tsunamigenic eruption of Kolumbo volcano. Nature Communications, 14(1), 6606.
https://doi.org/10.1038/s41467-023-42261-y
Schmid, F., Petersen, G., Hooft, E., Paulatto, M., Chrapkiewicz, K., Hensch, M., Dahm, T. (2022). Heralds of Future Volcanism: Swarms of Microseismicity Beneath the Submarine Kolumbo Volcano Indicate Opening of Near‐Vertical Fractures Exploited by Ascending Melts. - Geochemistry Geophysics Geosystems (G3), 23, 7, e2022GC010420.
https://doi.org/10.1029/2022GC010420